Auf ein Neues - Unsere zweite Wanderung zur Wave
Bei unserer ersten Wanderung zur Wave ist das Wetter nicht optimal. Also besorgen wir uns eine Woche später noch mal ein Permit. Am am Samstag, 11. Dezember 2004 starten wir erneut zu dieser außergewöhnlichen Wanderung, diesmal bei strahlendem Sonnenschein und wolkenlosem Himmel. Die Vorfreude ist groß, die Aufregung deutlich geringer als beim letzten Mal. Wir waren ja schon mal da, also können wir uns auch nicht mehr verlaufen. Wir sind jetzt ja ortskundig!
Bei schönem Wetter sieht das doch gleich alles ganz anders aus! Heute macht das Fotografieren richtig Spaß - nicht nur uns. Unser japanischer Mitstreiter, der auch mit Fotorucksack und Stativ unterwegs ist, interessiert sich aber in erster Linie für die spärliche Vegetation. Trotz zahlreicher Fotostopps schaffen wir die 5 km (3,1 Meilen) in 1:15 Stunden. Die Temperaturen sind mit 3,5° C (38,3° F) im Schatten und 12° C (53,6° F) in der Sonne angenehmer als beim ersten Mal. Die 12° C (53,6° F) in der Sonne fühlen sich sich wie 25° C (77° F) an. Langsam wird uns warm.
Tücken des Winters
Die Wärme täuscht. Es herrscht immer noch Winter. An einem steilen Abhang kommt Elisabeth ins Rutschen. Scheinbar ist der Weg teilweise ein wenig vereist. Ein Busch, der zum Glück nicht so dornig ist wie er aussieht, kann die drohende Talfahrt schnell bremsen. Wir kommen mit dem Schrecken davon und sind von da an ein wenig vorsichtiger. Der vereiste Bach vor der Wave ist immer noch da, also klettern wir wieder außen rum.
Die Eisplatte in der Wave ist getaut und hat sich in einen kleinen See verwandelt. Aber das verleiht dem ganzen noch einen gewissen Reiz. Wir sind überglücklich.
Hier wäre wohl jeder lieber allein
Das amerikanische Paar, das bereits eifrig am Fotografieren ist, scheinbar nicht. Jedenfalls werden wir nicht mit der sonst üblichen amerikanischen Herzlichkeit begrüßt. Kein "Hi, how are you doing? Isn't that WONDERFUL?" "Oh yes, it is! Absolutely SPECTACULAR! America is the most beautiful country on earth!!!" Wir genießen schweigend und jeder für sich. Und wir schaffen es, uns gegenseitig nicht ständig ins Bild zu laufen. Und sind froh, dass wir nicht im Sommer hier sind - mit bis zu 20 Leuten. Da könnte es hier ganz schön eng werden. Schließlich wandert die Sonne in die Wave. Wir hinterher, noch die letzten Bilder. Dann haben die Einheimischen die Wave wieder für sich.
Von wegen "Wir waren schon mal hier"
Auch auf dem Rückweg fotografieren wir noch ausgiebig. Wir haben nur noch Augen für die vielen Naturwunder um uns und entdecken dabei erstaunlich viel Neues. Vielleicht ein wenig zu viel Neues. Wir sind vom Weg abgekommen. Wir waren uns zu sicher, weil wir schon mal hier waren. Das kann in der Wildnis zum Verhängnis werden. Und das hier ist Wildnis pur. Die 12° C in der Sonne fühlen sich immer noch wie 25° C an. Der Gatorade geht langsam auch zur Neige. Wir haben einige Zeit auf das richtige Licht gewartet.
Und wir haben keine Ahnung, wo wir tatsächlich sind. Vielleicht hätten wir nicht so oft hier mal rauf und dort mal runter und da drüben noch ein bisschen mehr zur Seite gehen sollen, um die richtige Perspektive fürs Fotografieren zu haben. Unsere amerikanischen Mitstreiter sitzen wohl immer noch in der Wave und freuen sich, dass sie endlich wieder ungestört sind. Wir sind auf uns allein gestellt.
Man soll immer oben am Bergrücken bleiben, um das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Was auf dem Hinweg gut ist, kann auf dem Rückweg nicht schaden. Wir kämpfen uns steil nach oben, wesentlich steiler als auf dem regulären Wanderweg. Endlich erkennen wir auf der anderen Seite den Weg, der über den ersten Hügel führt. Nun wissen wir wenigstens, in welche Richtung wir gehen müssen.
Wir haben schon schwierigere Wanderungen bei Mords-Hitze bewältigt und sind auch schon vorzeitig umgedreht, weil das Wasser knapp zu werden drohte. Wir waren auch damals absolut alleine unterwegs. Und so gehen wir weiter - steil bergab, in sehr schwierigem Gelände. Irgendwann wird es extrem steil . Aber das Ziel ist immerhin bereits in Sicht. Unter uns verläuft das ausgetrocknete Flussbett, das wir am Beginn unserer Wanderung durchquert haben. Wir haben es fast geschafft!
Ein teueres Vergnügen
Wenn das hier bloß nicht so steil wäre! Ich bin heute schon einmal ausgerutscht, vermutlich auf einer unsichtbaren Eisplatte. Das Gelände liegt im Schatten, stellenweise ist das Eis auch zu sehen. Kein Problem, meint mein wackerer Mitstreiter. "Da kannst du mühelos runter gehen!" Sagt's und saust ein paar Meter den steilen Abhang runter - leider nicht ganz freiwillig und auf allen Fünfen. Stellenweise ist das Eis halt nicht zu sehen. Manfreds Knochen bleiben zum Glück heil. Das Objektiv unserer neuen Digitalkamera nicht. Die hat Totalschaden. Wir nehmen es gelassen. Lieber Sachschaden als Personenschaden.
Manfred klettert tapfer weiter. Ich rutsche die letzten steilen Passagen auf allen Fünfen runter. Etwas langsamer als Manfred, dafür kontrollierter und in der Gewissheit, dass es von diesem höchst uneleganten "Abstieg" keine Fotos geben wird. Nicht wegen des defekten Objektivs - wir haben noch eine Reservekamera dabei - sondern weil einfach keinem mehr nach Fotografieren zumute ist. Kurze Zeit später ist es geschafft. Wir sind wieder auf dem regulären Weg. Der Rest ist ein Kinderspiel. Wir sind uns einig: Das war sicher die teuerste Wanderung unseres Lebens. Aber die Wave ist es wert !